Dienstag, 21. November 2017

Der Politiker, das arme Schwein!*



Bricht ausnahmsweise mal eine Lanze für Politiker*innen: Anhalter (Stattlichkeit ähnlich)


Deutschland – Man kann davon halten was man will, dass die erste Jamaika-Koalition auf Bundesebene in Deutschland gescheitert ist. Was viele genau wissen ist, was sie nun von den beteiligten Politikerinnen und Politikern halten. Meistens: Nicht viel. Na gut. Jedermanns und –fraus gutes Recht. Und es gibt im Einzelfall sicher auch immer guten Grund und berechtigte Kritik. Nach dem „Jamaika-Beben“ bleiben viele Fragen offen. Eine davon vor allem bleibt aber an der Wählerin und am Wähler hängen: Was erwarten wir eigentlich?

Am Ende kann man attestieren: Egal, was Du als Politiker*in machst, es ist definitiv falsch. Siehe die aktuelle politische Lage:

Beispiel SPD

„Was der Wähler will, interessiert die da oben ja gar nicht. Da wird jedes Wahlergebnis noch als Sieg hingestellt.“ Ja, ein übliches Prozedere nach jeder Wahl. Da stehen plötzlich fünf bis sechs Parteivorsitzende vor den Kameras, und jeder verkauft die eigene Partei als den strahlenden Sieger. Weil man am meisten gewonnen hat, weil man weniger verloren hat als der andere, weil jeder hätte weniger erwarten müssen… Als Zuschauer*in reibt man sich die Augen und fragt sich, wie das sein kann.

Doch diesmal sieht die SPD ein: Das Ergebnis ist eine Abstrafung. Für uns als Partei, aber auch für die große Koalition. Ja, man hätte sagen können, es ist ja auch ein Sieg. Man hätte als GroKo ja immer noch die Mehrheit der Wählerstimmen. Doch wäre die SPD wieder in die GroKo gegangen, man hätte Ihr zugerufen: „Hört Ihr denn nicht die Signale des Volkes?“
Andere haben verhandelt, andere sind nicht zusammengekommen – und die Prügel bekommt nun wieder die SPD. Weil sie nun entweder Schuld sind, dass eine abgestrafte Regierungskoalition nicht weiter geführt wird – oder weil sie sich doch im Namen der Demokratie breitschlagen lassen und dann auch noch Umfaller sind.

„Sie könnten ja wenigstens mit der Union sprechen.“ Aber warum? Nach vier Jahren GroKo wäre es eher überraschend, wenn man sich nun so weit voneinander entfernt hat, dass man nicht mehr zusammenfände. Der Grund für die Ablehnung der GroKo ist aber nicht die Vermutung, dass man keinen Konsens findet. Die Begründung ist, dass die Wähler offenbar mit der bisherigen Arbeit nicht zufrieden waren.

Fazit: Ziehen sie nach der verlorenen Wahl die Konsequenz, aus der Regierung zu gehen, ist es verkehrt. Bleiben sie drin, dann auch.

Beispiel Grüne

„Dagegen“-Partei, das war lange das Image der Grünen. Alexander Dobrindt warnte schon vor Beginn der Sondierung vor linken „Spinnereien“. In der Tat haben die Grünen auch zuletzt zum Teil eher durch eigenwillige Vorschläge wie einen verpflichtend vegetarischen Tag Aufsehen erregt. Doch von Spinnereien kann in den Verhandlungen eigentlich keine Rede sein. Man muss die politischen Positionen der Grünen bezüglich Energie- und Flüchtlingspolitik nicht teilen. Aber keine davon ist per se albern, absurd oder nur bei einer Besichtigung des Özdemirschen Balkons denkbar. Auch Blockade kann man den Grünen nicht vorwerfen. Bei vielen Themen sind sie bis an ihre Schmerzgrenze gegangen und haben im Sinne einer regierungsfähigen Koalition Ihre Positionen geöffnet. Sie haben also das umgesetzt, was nun auch der Bundespräsident fordert: Im Sinne einer Regierungsbildung auch mal Positionen verlassen, wenn es wehtut.

Aber man kann natürlich auch vorwerfen: Vor der Wahl versprechen sie das eine, und nach der Wahl machen sie dann was Anderes, nur um zu regieren.

Fazit: Beharren sie stur auf ihren Positionen, ist es falsch. Gehen sie Kompromisse ein, dann auch.

Beispiel FDP

Hier ist das Problem genau wie bei den Grünen – nur andersrum. Der Ruf der „Koalitionshuren“ eilt ihnen voraus. Keine eigene Position, für eine Regierungsbeteiligung singen sie jedes Lied mit. Diesmal nicht. Christian Lindner beendet die Sondierungsgespräche, weil sich die Liberalen nicht angemessen im vorgeschlagenen Papier wiederfinden. Und es ist falsch. „Lindner wirft die Demokratie weg“ – so oder zumindest ähnlich reagiert Deutschland. Gut, man kann darüber diskutieren, ob die angeblich nicht ausreichenden Punkte es tatsächlich wert sind, die Jamaika-Koalition zu beerdigen, bevor sie ins Leben trat.

Aber CL13 vorzuwerfen, er tut dies aus Kalkül… nun, warum? Weil er jetzt lieber in der Opposition sitzen will, damit sich die FDP sortieren kann um nach der nächsten Wahl zu… ähm ja, zu regieren. Er verzichtet also auf eine Regierungsbeteiligung, weil er auf eine Regierungsbeteiligung hofft. Ahja. In Frage kommt da vermutlich entweder eine Jamaika-Koalition, oder aber es reicht für Schwarz-Gelb. Ob die FDP als einziger „Juniorpartner“ in schwarz-gelb bessere Karten hat, als zweitgrößter Koalitionspartner in einer Dreierkonstellation mit einem „schwachen“ Seniorpartner, das ist fraglich. Warum die FDP ein jetziges Mitregieren wegwerfen sollte, obwohl angeblich genug FDP im Kompromisspapier gestanden haben sollte, ebenso.

Fazit: Lassen sie sich auf die Regierung ein, obwohl sie nicht alle Positionen mittragen, ist es falsch. Beenden sie die Gespräche, dann auch.

Insgesamt

Die Wählerinnen und Wähler wollen:

  • eine bunte Parteienlandschaft, die klar unterschiedliche Positionen vertreten, anstatt politischem Einheitsbrei
  • Parteien, die nach der Wahl zu dem stehen, was sie vor der Wahl versprochen haben
  • Parteien, die nicht für Macht und Ämter ihre Überzeugungen beiseitelegen
  • Parteien, die trotzdem in jeder beliebigen Konstellation trotz klar unterschiedlicher Positionen mit allen andren koalieren können und einen Konsens für alles finden, ohne von den eigenen Positionen abzuweichen
  • Einhörner für alle, die Marshmallow-Regenbögen pupsen

Liebe Politikerin, lieber Politiker, am Ende bleibt eine Erkenntnis: Du kannst nicht machen, was die Wählerschaft will, weil was sie will, weiß sie meistens selber nicht. Sie weiß nur, was sie nicht will. Und das meist erst kurz, nachdem Du es getan hast.

Text: adg

* und die Politikerin, die arme Sau 

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