Auch in dieser Woche verbucht das Heim für herrenlose
Sauerteige wieder einige Neuzugänge. Wir möchten Ihnen die kleinen Racker auf
diesen Seiten einmal vorstellen. Spielen Sie mit dem Gedanken, sich einen
Sauerteig zuzulegen? Vielleicht muss es ja kein neu angesetzter sein oder ein
hochgezüchteter Ansatz vom Bäcker Ihres Vertrauens? Auf die vakuumisierte und
sterile Supermarktware verzichten Sie bitte aus humanitären Gründen ganz.
Eventuell können Sie Ihr Herz ja auch erwärmen für einen Sauerteig, der ein
neues zu Hause sucht.
Aber Vorsicht: Handeln Sie nicht aus einer Laune heraus. Der
Anblick der knuffigen Triebmittel kann Herzen zum Schmelzen bringen. Doch diese
Entscheidung muss gut überlegt sein. Viele unterschätzen den Aufwand. Nicht
umsonst werden gerade zur Urlaubssaison zahlreiche Sauerteige einfach unterwegs
in den Urlaub an der Autobahnraststätte ausgesetzt. Sie müssen den Sauerteig
regelmäßig füttern, ihn immer wieder aus dem Kühlschrank holen und sollten auch
ab und an mal ein ordentliches Brot damit backen. Weiterhin braucht er nicht
viel Platz, doch gerade in einem kleinen Kühlschrank kann so ein Sauerteig
schnell mal in Konkurrenz zu ein paar Flaschen Bier und der Pizza vom Vorabend
treten.
Ebenso sollten Sie sich nur einen Sauerteig zulegen, wenn Sie auch
ernsthaft vorhaben, öfter zu backen. Sonst wächst Ihnen der kleine Freund
schnell über den Kopf, ohne dass Sie etwas davon haben. Probieren Sie sich erst
mal aus mit ein paar Hefeteigen oder vielleicht auch einer Fertigbackmischung.
Wenn Sie daran Freude haben, dann könnte der Schritt zum Sauerteig der richtige
sein.
Nun zu unseren Neuzugängen:
Charly
Charly - man sieht die Energie im Überfluss |
Dieser kräftige Roggenwirbelwind ist noch ein sehr junger
und verspielter Sauerteig. Da er lange sehr warm gehalten wurde, hat er hohe
Essigsäureanteile und ist somit vielleicht nicht für Familien mit Kindern
geeignet. Doch bei liebevoller Erziehung entdeckt er bestimmt auch seine milden
Seiten. Charly ist kräftiges Vollkornfutter gewohnt und für jedes kernige Brot
zu haben.
Geronimo
Geronimo gemütlich in seiner Schüssel |
Geronimo ist ein Sauerteig, der schon viel gesehen hat und
schon öfter den Besitzer gewechselt hat – aber nie, weil man mit ihm nicht
zufrieden war. Oft waren die Besitzer einfach zu alt geworden. Geronimo war in
seiner Jugend ein fleißiger Brottreiber. Die Triebkraft hat etwas nachgelassen,
doch wenn man ihn gut füttert, kann man noch das ein oder andere Brot mit ihm
Backen. Die neuen Besitzer sollten glutenverträglich sein, denn Geronimo ist
ein sehr milder Weizensauerteig.
Jack & Jyll
Jyll (l) und Jack (r) eng aneinander gekuschelt |
Dieses Geschwisterpärchen stammt vom selben Urteig ab. Bei
beiden handelt es sich um Dinkel-Weizen-Mischlinge, die sich aber doch etwas
auseinander entwickelt haben. Jack hat einen höheren Dinkel-Anteil während Jill
vor allem Weizen mit hohen Schalenanteilen bevorzugt. Dennoch harmonieren beide
wunderbar miteinander und sind nur zusammen abzugeben.
Angie
Traurig blickt Angie einen aus ihrem engen Glas an |
Die Geschichte von Angie ist sehr rührend. Sie ist unser
aktueller Sorgenteig. Eigentlich als Roggenteig angesetzt wurde Angie nur
sporadisch gefüttert, manchmal mehrere Wochen lang nicht. Wenn, dann gab es
manchmal trotzdem Weizen- oder Dinkelmehl. Der sadistische Vorbesitzer hat
Angie sogar einmal mit Hefe angefüttert, um zu sehen, was passiert. Brot
gebacken hat er eigentlich nie. Teigschützer konnten Angie befreien und sie
mühsam wieder aufpäppeln. Sie schäumt immer noch sehr und ist etwas lichtscheu,
doch in liebevollen Händen könnte Angie auch in mittlerer Zukunft vielleicht
ihr erstes Brot backen.
Waldo
Waldo bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Klettern |
Waldo ist etwas für Liebhaber. Als reiner Weizensauerteig
geboren wurde er zum Roggensauerteig umerzogen. Dies allerdings professionell
und liebevoll. Er hat bis heute seine Eigenheiten, und die neuen Besitzer
sollten wissen, wie sie mit ihm umgehen. Waldo ist anspruchsvoll, doch Kennern
können hervorragende Brote mit Waldo gelingen.
Otto
Otto mit verrichtetem Baguette |
Einen sortenreinen Roggensauerteig mit hohem
Milchsäureanteil haben wir in Otto gefunden. Ottos Abstammung lässt sich über
Besitzergenerationen zurückverfolgen, denn Otto wurde im 19. Jahrhundert in
adeligem Hause von einer Küchenmagd angesetzt und seither gehegt und gepflegt. Das
Herrenhaus wurde Ende des 20. Jahrhunderts immer noch im Familienbesitz in
einen Landgasthof umfunktioniert, in dem das selbst gebackene Brot sich großer
Beliebtheit erfreute. Leider blieben nach und nach die Touristen aus, und so
musste nun das alte Gut endgültig verkauft werden. Für Otto gibt es keine
Verwendung mehr, und so sucht er ein neues zu Hause. Für traditionsbewusste Besitzer
genau der Richtige.
Falls Sie Interesse an einem unserer Schützlinge haben,
schreiben Sie gerne an vermittlung@dieweltfuerbrot.de;
Sie können uns natürlich auch Spenden unterstützen. Aktuell freuen wir uns vor
allem Roggenmehl Typ 1150, Dinkelmehl Typ 996 und Weizenvollkornmehl. Sie
können auch dauerhaft eine Teigpatenschaft übernehmen. Danke für Ihre
Unterstützung!
Text: adg
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