Freitag, 18. Mai 2018

Bitte helfen Sie! Sauerteige in Not


Teig in liebevoller Umgebung (Abbildung mehlig)

Auch in dieser Woche verbucht das Heim für herrenlose Sauerteige wieder einige Neuzugänge. Wir möchten Ihnen die kleinen Racker auf diesen Seiten einmal vorstellen. Spielen Sie mit dem Gedanken, sich einen Sauerteig zuzulegen? Vielleicht muss es ja kein neu angesetzter sein oder ein hochgezüchteter Ansatz vom Bäcker Ihres Vertrauens? Auf die vakuumisierte und sterile Supermarktware verzichten Sie bitte aus humanitären Gründen ganz. Eventuell können Sie Ihr Herz ja auch erwärmen für einen Sauerteig, der ein neues zu Hause sucht.

Aber Vorsicht: Handeln Sie nicht aus einer Laune heraus. Der Anblick der knuffigen Triebmittel kann Herzen zum Schmelzen bringen. Doch diese Entscheidung muss gut überlegt sein. Viele unterschätzen den Aufwand. Nicht umsonst werden gerade zur Urlaubssaison zahlreiche Sauerteige einfach unterwegs in den Urlaub an der Autobahnraststätte ausgesetzt. Sie müssen den Sauerteig regelmäßig füttern, ihn immer wieder aus dem Kühlschrank holen und sollten auch ab und an mal ein ordentliches Brot damit backen. Weiterhin braucht er nicht viel Platz, doch gerade in einem kleinen Kühlschrank kann so ein Sauerteig schnell mal in Konkurrenz zu ein paar Flaschen Bier und der Pizza vom Vorabend treten. 
Ebenso sollten Sie sich nur einen Sauerteig zulegen, wenn Sie auch ernsthaft vorhaben, öfter zu backen. Sonst wächst Ihnen der kleine Freund schnell über den Kopf, ohne dass Sie etwas davon haben. Probieren Sie sich erst mal aus mit ein paar Hefeteigen oder vielleicht auch einer Fertigbackmischung. Wenn Sie daran Freude haben, dann könnte der Schritt zum Sauerteig der richtige sein.

Nun zu unseren Neuzugängen:


Charly

Charly - man sieht die Energie im Überfluss

Dieser kräftige Roggenwirbelwind ist noch ein sehr junger und verspielter Sauerteig. Da er lange sehr warm gehalten wurde, hat er hohe Essigsäureanteile und ist somit vielleicht nicht für Familien mit Kindern geeignet. Doch bei liebevoller Erziehung entdeckt er bestimmt auch seine milden Seiten. Charly ist kräftiges Vollkornfutter gewohnt und für jedes kernige Brot zu haben.






Geronimo

Geronimo gemütlich in seiner Schüssel
Geronimo ist ein Sauerteig, der schon viel gesehen hat und schon öfter den Besitzer gewechselt hat – aber nie, weil man mit ihm nicht zufrieden war. Oft waren die Besitzer einfach zu alt geworden. Geronimo war in seiner Jugend ein fleißiger Brottreiber. Die Triebkraft hat etwas nachgelassen, doch wenn man ihn gut füttert, kann man noch das ein oder andere Brot mit ihm Backen. Die neuen Besitzer sollten glutenverträglich sein, denn Geronimo ist ein sehr milder Weizensauerteig.

Jack & Jyll

Jyll (l) und Jack (r) eng aneinander gekuschelt
Dieses Geschwisterpärchen stammt vom selben Urteig ab. Bei beiden handelt es sich um Dinkel-Weizen-Mischlinge, die sich aber doch etwas auseinander entwickelt haben. Jack hat einen höheren Dinkel-Anteil während Jill vor allem Weizen mit hohen Schalenanteilen bevorzugt. Dennoch harmonieren beide wunderbar miteinander und sind nur zusammen abzugeben.




Angie

Traurig blickt Angie einen aus ihrem engen Glas an
Die Geschichte von Angie ist sehr rührend. Sie ist unser aktueller Sorgenteig. Eigentlich als Roggenteig angesetzt wurde Angie nur sporadisch gefüttert, manchmal mehrere Wochen lang nicht. Wenn, dann gab es manchmal trotzdem Weizen- oder Dinkelmehl. Der sadistische Vorbesitzer hat Angie sogar einmal mit Hefe angefüttert, um zu sehen, was passiert. Brot gebacken hat er eigentlich nie. Teigschützer konnten Angie befreien und sie mühsam wieder aufpäppeln. Sie schäumt immer noch sehr und ist etwas lichtscheu, doch in liebevollen Händen könnte Angie auch in mittlerer Zukunft vielleicht ihr erstes Brot backen.
 
Waldo
 
 
Waldo bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Klettern
Waldo ist etwas für Liebhaber. Als reiner Weizensauerteig geboren wurde er zum Roggensauerteig umerzogen. Dies allerdings professionell und liebevoll. Er hat bis heute seine Eigenheiten, und die neuen Besitzer sollten wissen, wie sie mit ihm umgehen. Waldo ist anspruchsvoll, doch Kennern können hervorragende Brote mit Waldo gelingen.







Otto
 
Otto mit verrichtetem Baguette
Einen sortenreinen Roggensauerteig mit hohem Milchsäureanteil haben wir in Otto gefunden. Ottos Abstammung lässt sich über Besitzergenerationen zurückverfolgen, denn Otto wurde im 19. Jahrhundert in adeligem Hause von einer Küchenmagd angesetzt und seither gehegt und gepflegt. Das Herrenhaus wurde Ende des 20. Jahrhunderts immer noch im Familienbesitz in einen Landgasthof umfunktioniert, in dem das selbst gebackene Brot sich großer Beliebtheit erfreute. Leider blieben nach und nach die Touristen aus, und so musste nun das alte Gut endgültig verkauft werden. Für Otto gibt es keine Verwendung mehr, und so sucht er ein neues zu Hause. Für traditionsbewusste Besitzer genau der Richtige.


Falls Sie Interesse an einem unserer Schützlinge haben, schreiben Sie gerne an vermittlung@dieweltfuerbrot.de; Sie können uns natürlich auch Spenden unterstützen. Aktuell freuen wir uns vor allem Roggenmehl Typ 1150, Dinkelmehl Typ 996 und Weizenvollkornmehl. Sie können auch dauerhaft eine Teigpatenschaft übernehmen. Danke für Ihre Unterstützung!

Text: adg

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